DANKBARKEIT meets PERSPEKTIVWECHSEL -
eine klitzekleine systemische Zauberformel?!

Was geschieht, wenn ich dankbar sein kann? 
Ich spüre aufkeimende Freude!
Ich nehme wahr, wie sich meine Körperhaltung verändert!
Ich merke, wie meine Gesichtszüge weicher werden!
Ich fühle, wie mein Herz berührt und verbunden ist!
Was ich nicht mehr oder nur noch wenig wahrnehmen kann?
Sorgen! Ängste! Zweifel! Missmut! Manchmal wie weggeblasen…

Aber wie kann das sein? Schlicht und einfach: es ist weniger Platz dafür. Ein Gefühl der Dankbarkeit verändert auf vielen Ebenen unsere Wahrnehmung und unser Denken. Ein Zusammenspiel hirnorganischer Prozesse, die sich auf der Körperebene sichtbar machen und letztlich unser Nervensystem beruhigen. Gegebenheiten nicht als Selbstverständlichkeit hinzunehmen und den Dingen, die da sind, mit Achtsamkeit zu begegnen, ermöglichen in uns eine Entwicklung hin zu mehr Zufriedenheit. Wir öffnen dadurch einen inneren Raum für die Schönheiten & Kostbarkeiten, speißen uns mit Hochgefühlen und können somit auch unsere individuellen Bedürfnisse besser wahrnehmen. Möglicherweise werden durch die manchmal eintretende Ehrfurcht auch traurige Gefühle ausgelöst und wir werden nachdenklich. Nehmen wir auch diese Gefühle an, können wir uns versichert sein, einen wichtigen Beitrag zum Integritätsempfinden zu liefern und somit unsere psychische Gesundheit positiv mitzugestalten – yeah!

Der Reality-Check und das Zufriedenheitsbaramother sind wertvolle Mitspieler, wenn es darum geht, mehr das zu schätzen, was wir haben, was uns möglich ist, als den schlechte-Laune-Verursachern die Prio zu geben. *  

Was ist nun aber mit dem Perspektivwechsel?
Blicken wir zueinander!
Blicken wir hinter das was offensichtlich ist!
Blicken wir aus der Sicht des Anderen auf das was wir beurteilen!
Blicken wir von oben/außen auf die Situation!

Ohne den Blickwinkel zu verändern, kämen wir nicht nur im zwischenmenschlichen Miteinander gewaltig mehr an unsere Grenzen, sondern würden uns auch selbst die Chance verbauen, die andere Seite der Medaille zu betrachten. Und die ist doch manchmal noch viel schöner… Vor kurzem hat ein lieber, ehemaliger Weiterbildungskollege zu mir gesagt, dass es ohne die zweite Seite (es ging eigentlich um Schokoladenseiten ;)) ja auch keine Medaille wäre. Und es hat mich bewegt, weil die Einfachheit dieser Redewendung im Alltag sowie der Einstellung uns selbst gegenüber alles andere als einfach ist.

Reden wir im systemischen Kontext von Perspektiven, sind sicher auch die Zukunftsvisionen gemeint, die wir anstellen sollten oder die uns manchmal plagen. Viel mehr möchte ich den Fokus aber auf die Einnahme des Blickwinkels für die andere Person, das Gegenüber oder auch die Situation plädieren. Über den Tellerrand hinaus blicken, aus dem eigenen kleinen Mikrokosmos den Blick ins weite Universum schweifen lassen, empathisch die Sichtweise anderer hören und zu verstehen versuchen… Das ist nicht nur gesamtgesellschaftlich von Vorteil, sondern vermag auch die eigene Gedankenspirale mit Negativtouch zu eliminieren. 


* Wir reden an dieser Stelle nicht von traumatisierenden Schicksalsschlägen, Notsituationen oder etwa Menschen, die schwer psychisch erkrankt sind und somit andere Skills benötigen, um einen Weg zur Glücksempfindung zu finden.

Was es für die Auflösung der 'Zauberformel' braucht? Eigentlich nicht viel. 

Ohne den Anspruch auf Vollständigkeit erheben zu wollen, mag ich eine Situation beschreiben, die mich in den vergangenen Tagen sehr bewegt hat und Motivation dafür war, den Blick schweifen zu lassen; einmal mehr zu Jesper Juul. Nicht nur, weil ich dem Postulieren seines Menschenbildes Bedeutung beimessen mag, sondern v.a. weil es eines DER systemischen Handwerkszeuge ganz konkret darzustellen vermag und für mich aus dem Alltag nicht wegzudenken ist.

"Wer seine eigenen Bedürfnisse verleugnet, wird sich rasch überfordert fühlen und dem Kind die eigentliche Verantwortung zuschieben."

Das Hamsterrad dreht sich und dreht sich und gefühlt für die meisten sehr schnell. Manchmal können wir gar nicht flix genug gucken, ehe sich ein Konstrukt aufgebaut hat, dessen Bändigung wir uns kaum zutrauen. Wir denken, fast automatisch, darüber nach, wo wir selbst nochmal ein Stückchen mehr Zeit einsparen können, um allen Anforderungen gerecht zu werden. Und dann… der Plan geht nicht auf, Frust & Wut oder auch Enttäuschung machen sich breit und von einem verzweifelten Gefühl geplagt, begegnen wir einem Kind, das die Tragweite unserer Alltagslogistik bei weitem nicht nachvollziehen kann und neue Anforderungen an uns stellt. Das tut es natürlich völlig unbedarft, auf kindliche, manchmal fordernde Weise, aber sicher nicht, um noch eine Schippe drauf zu legen, auch wenn es sich für uns Eltern so anfühlen mag, als wäre diese normale Extraportion Wunsch nun völlig deplatziert. 

Das Kind lebt im Hier und Jetzt, hat keinen Sinn für unsere überfüllte Agenda – und das ist gut so; ist es schließlich kein MiniErwachsener.

Und nun? TIME OUT! Für uns Eltern – nicht für das Kind! Nehmen wir uns eine Minute Zeit, zu fühlen und zu überlegen, warum gerade Wut hochkommt und wir wir sie „richtig“ platzieren ohne in einen Teufelskreis einzusteigen, aus dem noch schwerer auszusteigen ist, als aus dem Hamsterrad 😉

Aaaaber, ich wollte von einer Begebenheit berichten und nicht als Erziehungsratgeberin wirken – tunlichst nicht!

Was es nun mit Lady auf sich hat?


Das Jahr ist zwischenzeitlich in Kalenderwoche 3 angekommen und die Kinder wechseln sich mit Kranksein ab, geben sich die Klinke in die Hand. Details dazu erspare ich uns; die Mission ist klar. KRANKENSCHWESTERMODUS ON – ARBEITSMODUS OFF. Das Verschieben von Terminen nimmt gefühlt fast genauso viel Raum ein, als hätte man die Termine einfach erledigt, was ja aber nun mal nicht geht. Weitere Procedere sind klar, aufkeimende Gefühle müssen auch nicht näher tituliert werden. Was aber diesmal wirklich geholfen hat, mag ich schon mitteilen. Ich habe dem Kranksein – paradoxer Weise – mehr Zeit eingeräumt, als ich es sonst tue. Ich habe mich neben mein Kind gesetzt und war ganz bei ihm. Küchenchaos, Wäscheberge, Legosteine – alles blieb liegen; das Genervtsein ebenso. Je mehr ich mit ihm zur Ruhe kam, desto besser konnte ich akzeptieren, dass wir den Fokus auf das Gesundwerden legen müssen und Zerreisproben ebenso wenig förderlich sind wie schlechte Stimmung. Mies gelaunte Mama’s/ Papa’s sind nun wirklich keine guten Sofazeitgenossen. Also, das Übel an der Wurzel packen und überlegen, welche Abhilfe geschaffen werden kann. Lady heißt sie, die Stimmungsmacherin in Persona – naja, das Pferd. Der Termin meines Sohnes musste abgesagt werden und da habe ich spontan angefragt, ob ICH stattdessen kommen dürfe. 

Ein lang gehegter Wunsch und ein brandaktuelles Bedürfnis. Natürlich hätte ich die Zeit, in der mein Mann die Betreuung unserer Kinder übernommen hat, auch zum Arbeiten nutzen können. Fraglich jedoch, wie produktiv ich gewesen wäre nach Nächten mit wenig Schlaf und dem allseits zitierten Mental Load. Dass eine Reitstunde für mich möglich wird, während ein Kind krank ist, klingt ein wenig absurd, ich weiß. Paradoxe Interventionen sind aber ebenso der Systemischen Therapie zugehörig wie Perspektivwechsel oder Selbstfürsorge. Das primäre Ziel war das Gesundwerden meines Kindes und die vielleicht wichtigste Mission, die ich zu erfüllen hatte, war, ihm zu zeigen, dass man gut auf sich achten muss, wenn man nicht krank sein möchte. Ich habe aufgetankt. Mit metime im Winterwald auf einem „Beschützer-„-Pferd, das ausgelassen mit mir Schneeduschen machte und beim Abkauen der Nadelbäume Kiefernduft verströmen ließ. Tiefe Dankbarkeit für meinen Mann, der mich bedenkenlos in unseren Bindungsgefügen ersetzen kann und es mir somit ermöglicht hat. Danke Lady & Kathrin, die ihr mich getragen und geführt habt. Mein erster Winterwaldausritt hat mich gelehrt, dass Selbstfürsorge & Ausgelassenheit für mich ein Schlüssel zur Verantwortungsübernahme – auch für das Wohlergehen meiner Kinder – sein können. 

Der Kopf wusste das, die Augen staunten OHO, das Herz hüpfte dann und der Bauch hat darauf vertraut, dass es gut wird.


Zweifelsohne gäbe es zu umschriebenen Themen weit mehr zu sagen und doch beende ich den Artikel an dieser Stelle mit dem dankbaren Gefühl, in einer gar nicht mal so einfachen Zeit doch ziemlich privilegiert zu sein. Mir ist klar, dass eine „Reittherapiestunde“, die man sich statt dem kranken Kind gönnt, ein Luxusproblem für Manche ist. Ich durfte lernen, dass ich mich selbst ganz gut stützen kann und ausgelassene Momente genießen konnte, die dringend notwendig waren, um im Hamsterrad wieder mitlaufen zu können.  Allzu gerne würde ich darüber schreiben, wie Engelskreise entstehen können und warum ein ausgeprägter Helferinstinkt nur vordergründig hilfreich ist – ich freue mich auf baldige, ruhige Laptop-Abend-Stunden fernab jedweder Elternabende und wünsche euch viel Winterhygge!